Bundeswirtschaftsminister Altmaier diskutierte mit vierzig Vertreter*innen von Wirtschaftsverbänden über die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise. Mit dem FAMAB, AlarmstufeRot und dem Forum Veranstaltungswirtschaft waren auch Vertreter der Veranstaltungswirtschaft zugegen. Lesen Sie hier ihre Einschätzungen zu den Gesprächen.
FAMAB & #AlarmstufeRot
Der FAMAB Kommunikationsverband e. V. und das Aktionsbündnis AlarmstufeRot loben die Bemühungen von Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, die er mit dem Wirtschaftsgipfel unternommen habe. Aber: „Leider hat dieser Gipfel aufs Neue gezeigt, dass Herr Altmaier offensichtlich in einer anderen Realität als der der Unternehmen unterwegs ist“, stellt Jörn Huber, Vorstandsvorsitzender der FAMAB, fest. „Wenn er behauptet, die staatlichen Hilfen kämen in der Wirtschaft an, so steht diese Aussage diametral einer Blitzumfrage gegenüber, die wir zum Gipfel unter Branchen-Mitgliedern veranstaltet haben.“
So habe lediglich ein Prozent der Umfrageteilnehmenden die komplette Antragsumme der Dezemberhilfe erhalten, 84 Prozent der Unternehmen aus der Veranstaltungsbranche haben noch keine Hilfsleistung gesehen. „Und immerhin 40 Prozent der Unternehmen haben immer noch kein Geld aus der Novemberhilfe erhalten“, erklärt Huber. „Das geht für viele unserer Mitglieder nicht mehr lange gut, ein Drittel von ihnen wird spätestens im Sommer Insolvenz anmelden müssen.“
Die FAMAB und AlarmstufeRot forderten daher beim Gipfel mit Peter Altmaier einen verlässlichen Fahrplan für den Re-Start des sechstgrößten Wirtschaftszweig Deutschlands, der sich seit zwölf Monaten im Lockdown befinde.
„Schön ist, dass Herr Altmaier endlich erkannt hat, welch große Bedeutung Messen für die deutsche Wirtschaft haben“, stellt Tom Koperek von AlarmstufeRot fest und nimmt damit Bezug auf eine Aussage des Ministers während des Gipfels. „Diese späte Erkenntnis allein rettet uns aber nicht. Vielmehr müssen nun schnell tragfähige Konzepte folgen, wie es mit der Veranstaltungswirtschaft im zweiten Halbjahr weitergehen soll. Und ich spreche dabei insbesondere von den 88 Prozent wirtschaftsbezogenen Veranstaltungen, die unsere Branche zum Löwenanteil ausmachen.“
Beim Wirtschaftsgipfel wollte der FAMAB nochmals deutlich machen, wie wichtig auch ein Ausfallfonds für die Veranstaltungswirtschaft sei. „Wirtschaftsbezogene Veranstaltungen brauchen einen gewissen Vorlauf, unsere Kundinnen und Kunden müssen ihre Planungen für das zweite Halbjahr spätestes in den kommenden drei bis vier Wochen starten. Ein Ausfallfonds, wie er für Kulturveranstaltungen geplant ist, ist hier von elementarer Wichtigkeit. Entweder muss dieser aufgestockt oder ein eigener Fonds speziell für die wirtschaftsbezogene Veranstaltungen aufgelegt werden.“
Den Vorstoß der am Gipfel teilnehmenden Verbände, analog zu einem Auto- oder Tourismusgipfel auch einen Kultur-, Veranstaltungs- und Kreativgipfel zu veranstalten, sehen Huber und Koperek als einen wichtigen Schritt. „Wollen wir hier aber substanziell etwas bewegen, muss dieser Gipfel auch zügig realisiert werden“, fordert Koperek.
Forum Veranstaltungswirtschaft
Laut Forum Veranstaltungswirtschaft seien die Anstrengungen der Regierung unübersehbar, wichtige Fragen jedoch unbeantwortet geblieben. Daher forderten die Verbände, dass zeitnah ein ausführlicheres Gespräch mit dem Minister stattfindet. Das Forum Veranstaltungswirtschaft zieht Bilanz des Gesprächs.
Öffnungsstrategie
Alle Verbände kritisierten, dass die Bundesregierung nach wie vor weder der Gesellschaft noch der Wirtschaft eine bundeseinheitliche Öffnungsstrategie anbiete. Das Forum Veranstaltungswirtschaft begrüße daher, dass der Bundesminister angeboten habe, in den kommenden zwei Tagen vorliegende Öffnungskonzepte zu prüfen und mit den Verbänden zu diskutieren. Die Vertreter der Veranstaltungswirtschaft forderten, dass flächendeckende Tests zur Bekämpfung des Infektionsgeschehens durchgeführt werden, damit nicht jede Veranstaltungsstätte selbst Tests anbieten müsse.
Bei der Testrate stehe Deutschland im Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) auf Platz 22 – weltweit nur auf Platz 36. Die Verbände hoffen daher, dass die aktuelle Ankündigung des Bundesministers für Gesundheit der Durchführung kostenloser Schnelltests für alle Bürger*innen tatsächlich umgesetzt wird. Dies sei allerdings nur zielführend, sofern diese Tests auch von den Gesundheitsämtern anerkannt würden.
Manifest Restart
Die teilnehmenden Vertreter des Forums Veranstaltungswirtschaft erläuterten das von den Verbänden erarbeitete ‚Manifest Restart‘, das Öffnungs-Konzept für Veranstaltungen.
Auch Martina Courth, Chefredakteurin bei EVENT PARTNER, hat sich die Strategie zur Durchführung von Veranstaltungen genauer angesehen. Mehr dazu gibt es in ihrem Kommentar zum Manifest Restart des Forums Veranstaltungswirtschaft.
Das Konzept soll laut Aussage des Forums Veranstaltungswirtschaft „eine detaillierte Strategie für eine Perspektive für die sichere Durchführung von Veranstaltungen“ aufzeigen. Es enthält eine Teststrategie, die sichere Zonen für Begegnungen schafft und gleichermaßen zur Eindämmung des Infektionsgeschehens beitragen können soll. Man gehe davon aus, dass nur durch Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen für den Veranstaltungsbetrieb der kulturelle und wirtschaftliche Stillstand beendet und allen Beteiligten eine Perspektive gegeben werden könne.
„Soweit ersichtlich, differenziert kein anderes derzeit vorliegendes Konzept Öffnungsszenarien derart detailliert nach Inzidenzwerten, den konkreten Gegebenheiten der Veranstaltungsstätten und den entsprechenden Anforderungen an Infektionsschutzmaßnahmen,“ heißt es in der Meldung des Forum Veranstaltungswirtschaft. Aufgrund der Gesprächszusage des Bundeswirtschaftsministers hoffen die Verbände der Veranstaltungswirtschaft, dass die von ihnen vorgeschlagenen Wege zur Erreichung des Ziels sicherer Begegnungen von Menschen schnell umgesetzt werden.
Wirtschaftlichkeitsbonus und Ausfallfonds
Bei der Durchführung von Veranstaltungen werden laut Forum Veranstaltungswirtschaft Veranstalter*innen noch für lange Zeit massive Einnahmeausfälle durch Einschränkungen von Teilnehmer*innen- und Besucher*innenzahlen sowie Mehrkosten durch die Umsetzung von Hygiene- und Infektionsschutzmaßnahmen und Teststrategien entstehen.
Sofern geplante Veranstaltungen aus Infektionsschutzgründen nur eingeschränkt stattfinden können, hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) in Aussicht gestellt, Mindereinnahmen durch einen ‚Wirtschaftlichkeitsbonus‘ zu kompensieren.
Da Versicherungen das wirtschaftliche Risiko pandemiebedingter Veranstaltungsabsagen nicht mehr übernehmen, hat das BMF im Dezember darüber hinaus die Einrichtung eines Ausfallfonds angekündigt, durch den das Risiko zukünftiger Veranstaltungsausfälle zumindest für die kommenden Monate abgedeckt werden sollte.
Die Planungen beider Programme seien laut Forum Veranstaltungswirtschaft aus nicht nachvollziehbaren Gründen ins Stocken geraten, möglicherweise sogar vorerst ‚auf Eis‘ gelegt worden. Damit ist die Perspektive für den Kulturbetrieb ein weiteres Mal in die Ferne gerückt. Die Kulturveranstalter*innen des Forum Veranstaltungswirtschaft weisen darauf hin, dass ohne eine Absicherung zukünftiger Ausfallrisiken Kulturveranstaltungen aufgrund der damit verbundenen erheblichen finanziellen Veranstaltungsrisiken kaum noch durchführbar sein würden. Eine Stellungnahme dazu gab es seitens des Ministers dazu nicht.
Ausfallgarantien
Das Forum Veranstaltungswirtschaft habe wiederholt darauf hingewiesen, dass die Einrichtung eines Ausfallfonds sowie ein Wirtschaftlichkeitsbonus nicht ausschließlich auf den Kulturbereich beschränkt bleiben dürfe. Auch Wirtschafts-Events, Kongresse und sonstige Veranstaltungen im B2B-Bereich würden zukünftig nur stattfinden können, wenn die Veranstalter*innen sich gegen das Risiko pandemiebedingter Veranstaltungsabsagen, Teilabsagen oder Verschiebungen und gegen nachträgliche Einschränkungen der Besucher*innenzahl absichern können.
Reisefreiheit und Quarantänebefreiung
Das Forum Veranstaltungswirtschaft erwarte von der Bundesregierung die Einführung konsequenter Teststrategien, damit inländische und ausländische Künstler*innen, Ensembles, Orchester, Bands und ihr Begleitpersonal sowie Geschäftsreisende wieder uneingeschränkt zu Veranstaltungen reisen können. Wie es laut Aussage des Forum Veranstaltungswirtschaft in anderen Staaten längst üblich sei, müsse auch Deutschland flächendeckend Testangebote und Testpflichten einführen und damit die grundsätzliche Reisefreiheit und Quarantänebefreiung ermöglichen. Ferner soll für alle Mitwirkenden von Veranstaltungen die Einreise aus dem Ausland unter Nachweis des betreffenden Engagements bzw. des geschäftlichen Reisegrundes ‚Kulturarbeit‘ bzw. ‚Geschäftsreise‘ ermöglicht werden. Schließlich sei dies laut Forum Veranstaltungswirtschaft beim Profisport bereits der Fall.
Antragsberechtigung für Mehrpersonengesellschaften
Gesellschafter*innen von Personengesellschaften können bei der Neustarthilfe die Betriebskostenpauschale für jede*n einzelne*n Gesellschafter*in beantragen. Dies soll zwar auch für Gesellschafter-Geschäftsführer*innen von Kapitalgesellschaften möglich werden, jedoch blieben Mehrpersonengesellschaften noch immer außen vor. Hier bestehe laut Forum Veranstaltungswirtschaft Anpassungsbedarf. Dies könne dadurch gelöst werden, dass diese Unternehmer*innen über einen prüfenden Dritten ebenfalls die Neustarthilfe beantragen können.
Selbständigkeit in Deutschland
Selbständige leiden laut Forum Veranstaltungswirtschaft besonders schwer unter den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie. Die ihnen angebotenen Hilfen seien völlig unzureichend. Neue Denkansätze und passende Sozialsysteme seien dringend erforderlich. Das Forum Veranstaltungswirtschaft erneuerte die Einladung an Bundesminister Altmaier, am Sozialdialog der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbstständigenverbände (BAGSV) teilzunehmen.